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Naturfreundehaus Knofeleben (Nächtigung) - Krummbachstein

Mittwoch, 6. bis Donnerstag, 7. Juli 2022

Leitung: Walter Kissling

1. Tag:

Hirschwang – Wasserleitungsweg – Kaiserbrunn – Miesleitenweg – Naturfreundehaus Knofeleben

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2. Tag:

Naturfreundehaus Knofeleben – Krummbachstein – Krummbachsattel – Bilekalm – Hengsthütte – Puchberg

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„Hinter Hirschwang bei der Windbrücke beginnt das romantische Höllental. In weiteren ¾ Std. erreichen wir den Ort Kaiserbrunn mit dem Wasserschloß, der Hauptquelle der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung“, so Fritz Benesch in seinem Schneebergführer, der zwischen 1897 und 1924, der Hochzeit des Wiener-Hausberge-Alpinismus, in vielen Auflagen erschienen war. Als „romantisch“ wurde das Tal allerdings nicht schon immer gesehen. Und zu Benesch’ Zeit war das Wesentliche, um es „romantisch“ sehen zu können, bereits geschehen:

Fast 200 Jahre früher, 1732, arbeiteten sich Kaiser Karl VI. und Jagdgenossen durch die Gräben und Dickichte des Höllentals. Sie kamen in der Wildnis zu einem schwallartigen Wasseraustritt, der aus dem Berg hervorbrach. Der begleitende Leibarzt soll von dem Wasser entzückt gewesen sein, der Kaiser orderte das Wasser an die Hoftafel, ein notdürftiger Steig durch die Schlucht wurde errichtet, auf dem Berittene (je Pferd 2 Fässer) das Wasser ab 1736 regelmäßig nach Wien transportierten, wofür sie ca. 3 Tage benötigten. Von daher kommt die Bezeichnung „Kaiserbrunn“. Erst Josef II. hatte die Dienste der Wasserreiter abgeschafft, weil inzwischen Maria Theresia das Wasser der Schönbrunner Quelle in die Hofburg leiten ließ. Als zu Beginn des 19. Jhd. der Naturwissenschafter und Prof. der Theresianischen Akademie in Wien, Joseph August Schultes, das Schneeberggebiet erforschte, kam auch er durch das Höllental. Ein Jäger begegnete ihm „und fragte, ob wir keinen Bären getroffen hätten? Es wären ihrer zwey jetzt in der Gegend. Wölfe und Luchse hätte er auch auf der Spur.“ (Schultes 1807, S.303f.) Anscheinend verfiel der Weg, denn sein Zustand in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhd. wurde als „sehr gefahrvoller Fußsteig, nur für einzelne Personen gangbar“ beschrieben, „über Felsengeröll und halb vermorschte und verfallene Bergbrückchen und einzelne Baumstämme, sorglos über die Schwarza geworfen“ (Muchmayer 1842, S.49). Spuren des alten Reiterweges seien Karl Kolar zufolge heute noch zu sehen – „an den Felswänden Löcher [...], in denen Eisengestänge und Balken eingezapft waren, von denen Bohlenbrücken des Reiterweges getragen wurden“ (Kolar 2003, S. 103f.). Mit dem Bau einer Straße durch das Höllental, bis Schwarzau, wurde um 1830 begonnen; die Gründe waren wirtschaftliche, die Straße diente dem Zugang zur Eisenindustrie in Reichenau und im äußeren Schwarzatal sowie der Holzbringung. Für die Gutensteiner war der Zugang nach Reichenau wichtig, über die Schwarzau und durch das Höllental. Der Tourismus profitierte vom Straßenbau: „Nun ist es auch dem zu Wagen Reisenden möglich gemacht, die erhabene Schönheit dieser wildromantischen Natur zu bewundern und den Schneeberg in einem Tage zu umfahren. [...] Diese Straße ist bei zwei Klafter breit, mit Geländern wohl versehen.“ (Muchmayer 1842, S.50f. 2 Klafter: 3,8m) 1864 beschloss der Wiener Gemeinderat aufgrund der Planungen des Geologen Eduard Suess, das Wasser der Kaiserbrunn- (und Stixenstein) quelle nach Wien zu leiten; von 1869 bis 1873 wurde die 99km lange Leitung gebaut vom „Londoner Unternehmer Antonio Gabrielli, der bei den Arbeiten vorwiegend Italiener beschäftigte (Pap 2004, S.176); weitere Quellfassungen im Schneeberggebiet folgten. Das Kaiserbrunner Wasser braucht nach Wien 16 bis 24 Std., je nach Menge. Die Wiener Sterbequote bei Typhus sank danach von 3,5% auf 1%.

 

An der Nordseite des Gasthauses in Kaiserbrunn befindet sich heute eine Tafel mit dem Hinweis, dass der Reichenauer Holzmeister Georg Baumgartner 1839 für seine Verdienste um den Straßenbau die Bewilligung erhielt, „in der Nähe der Kaiserbrunnquelle, die schon in der Biedermeierzeit ein beliebtes Reiseziel war, ein Wirtshaus zu erbauen“. Die Bewilligung dürfte schon früher erfolgt sein, denn 1839 sei der Bau bereits fertiggestellt worden, das erste Fremdenbuch liege bereits aus diesem Jahr (noch heute erhalten) vor. Das Wirtshaus habe beträchtlichen Gewinn abgeworfen und  sei auch von Mariazell-Wallfahrern genutzt worden (Pap 2002, S.172f.).[1]

 

Über die Pointe von Baumgartners Gasthof in Kaiserbrunn erzählt die Tafel nichts. Es blieb nämlich nicht bei dem Gasthof im Tal. Gut 900 Höhenmeter über Kaiserbrunn institutionalisierte Baumgartner auf 1447m frühzeitig eine zweite Ebene des Tourismus: Ca. 20 Personen jährlich seien es nach Schultes gewesen, die um 1800 den Schneeberg besucht hätten; bei Schmidl waren es 1831 bereits 500 Touristen. 1839 baut Baumgartner zusammen mit seiner Frau das Baumgartnerhaus über dem Krummbachsattel; 3 Zimmer, eine Küche, ein Keller und ein Stall (Braun 1992, S.22f). „Reine Betten, oder nach Wunsch reines Stroh, sind immer vorhanden, ein kräftiger Imbiß und trinkbarer Wein sind zur Labung in Kürze hergeschafft.“ (Muchmayer 1842, S.82) Es sei „das älteste Schutzhaus auf den Wiener Hausbergen“ gewesen (Braun 1992, S.36). Braun beschreibt die unglaubliche Erweiterungs-, Ausstattungs- und Besucherkarriere des in den 1870er Jahren vom ÖTK übernommenen und nun ganzjährig bewirtschafteten Hauses (S.21-37). Um mich auf Abwege zu begeben: Hier, nunmehr unter Pächter Julius Kronich, erlebte seine Tochter Aurelia jene Geschehnisse, die sie Anfang der 1890er Jahre zur Therapie durch Sigmund Freud führte, welche am Ottohaus stattfand, wohin Frau Kronich vom Baumgartnerhaus weg mit ihren fünf Kindern übersiedelte und Pächterin wurde. Freud veröffentlichte den Fall 1895 in seinen „Studien über Hysterie“, personell und topografisch verschlüsselt unter dem Namen „Katharina“, Fichtner und Hirschmüller haben ihn 1985 historisch rekonstruiert. Aber das

ist eine eigene Geschichte... Aufgrund des Besucherrückgangs Ende der 1960er und in den 1970er Jahren und durch Druck der Wasserrechtsbehörde wurde das Haus 1981/82 abgerissen; seine Grundmauern sind heute noch sichtbar, am Beginn des Südlichen Grafensteiges.

 

Wir aber sind noch in Kaiserbrunn, bei dem in den 1960er Jahren von der Gemeinde Wien gekauften Gasthaus, das nach ca. 2jähriger Schließzeit nun von Scharfegger (Seilbahn, Berghotel, Raxalpenhof in Prein) gepachtet und wiedereröffnet wurde. Es fehlt uns eine Wegtafel, die dort vorne zum Naturfreundehaus weist; wir finden sie hinten, beim Anstieg des Miesleitenweges. Dieser war schön, wild und anstrengend. Der Steig war von bisher sandig-bröseligen Stellen weg verlegt worden und hat einige neue Versicherungen. Am fast ebenen Wirtschaftsweg haben wir uns wieder d’erfangen, und schließlich ging es die Forststraße fast eben zum Naturfreundehaus hin. Hier ging die Rechnung auf: Unter der Woche fast keine Leute, ein ruhiger Nachmittag vor der Hütte, Lager oder Zimmer konnten wir uns aussuchen. Küchenschluss um 18 Uhr – das schrieben wir unserer Gesundheit zu. Draußen Gewitter, drinnen Abendessen; am Donnerstag wieder Schönwetter, ein abwechslungsreicher Anstieg auf den Krummbachstein, oben windig, hinunter zum Krummbachsattel, unmarkiert durch Wald und über Weiden (warum schicken alle gelben Wegtafeln die Wanderer hinauf zur Haltestelle Baumgarten, um von dort wieder hinunter gehen zu müssen?) an der Bilekalm vorbei und auf der Forststraße plus idyllischem Abschneider zur Hengsthütte, und halt. Wegen Urlaub geschlossen! Es fängt zu regnen an, wir stoppen den Zug und gondeln nach Puchberg hinunter. – Die zufriedenen Teilnehmerinnnen wünschen sich mehr Wanderungen unter der Woche...

 

Zum Abschluss: Der Wasserleitungsweg endet in Kaiserbrunn. Nicht aber das Höllental. Wie steht es um die Pläne des Wegebaues bis zum Weichtalhaus?

 

Literatur:


Bensch, Fritz: Führer auf den Schneeberg. – Wien: Artaria, 19204.

 

Braun, Otto: Ihre Welt, die Berge. Hüttenwirte auf Schneeberg und Rax. – St. Pölten: NÖ Pressehaus, 1992.

 

Fichtner, Gerhard/Hirschmüller, Albrecht: Freuds „Katharina“ – Hintergrund, Entstehungsgeschichte und Bedeutung einer frühen psychoanalytischen Krankheitsgeschichte. In: Psyche Jg. 39 (1985), S. 220-240.

 

Kolar, Karl: Schneeberg, Rax, Schneealpe. Ein Heimatbuch. – Unterweitersdorf: Freya-Verl., 20034.

 

Muchmayer, Alexander: Das Thal von Reichenau  im V.U.W.W. und seine Umgebungen. – Wien: Tendler, 1842.

 

Pap, Robert: Reichenauer Spaziergänge. – Ternitz: Terra Nova, 2004.

 

Schultes, Joseph August: Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich. Ein Taschenbuch auf Reisen nach demselben. – Wien: Degen, 1807. (EA 1802)

 

Schmidl, Adolph: Der Schneeberg in Unterrösterreich mit seinen Umgebungen von Wien bis Mariazell. – Wien: Doll, 1831.

 


[1] Muchmayer erwähnt in seiner 1842 erschienen Schrift das Wirtshaus nicht. Der erhitzt in Kaiserbrunn ankommende Wanderer, so schreibt er, „nimmt sich aus dem Bauernhause, welches zugleich eine Schenke ist, eine Semmel, oder ein Stück Brot und Trinkgläser zur Quelle mit. Eine Kleinigkeit reicht hin, die Bauersleute, welche dienstfertige Hand bieten, zufrieden zu stellen.“ (Muchmayer 1842, S.55) Der Verfasser hatte Kaiserbrunn offensichtlich vor 1839 besucht, als das Baumgartnersche Gasthaus noch nicht errichtet war und bis zum Erscheinen von Muchmayers Schrift noch einige Jahre verstreichen sollten.

 

Walter Kissling

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