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Marzerkogel

Samstag, 14. März 2020
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Es war eine historische Wanderung, 1. im Hinblick auf Corona, 2. im Hinblick auf die Geschichte der Gegend. Deshalb ein längerer Bericht:

1. Die Wanderung von Mattersburg auf den Marzerkogel und nach Drassburg fand zwei Tage vor den Ausgangsbeschränkungen statt – wandern nur alleine oder mit ständigen MitbewohnerInnen. Es war für die nächsten Monate die letzte Vereinswanderung. Sie stand unter vorneweg klar kommunizierten virusbedingten Regeln, vor allem: physical distance (voneinander und von anderen Menschen Abstand halten). Begonnen hatte das bereits in der kleinen Kassenhalle des Meidlinger Bahnhofs, wo Wandergruppen sonst eng beisammenstehen. Es setzte sich fort in den beiden Zügen, die uns nach Mattersburg brachten und in denen jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ein eigenes ‚Abteil’ besetzen konnte. Wegen der irrigen Ansicht, Masken wären wirkungslos, bestand damals in Öffis noch keine Maskenpflicht. Bei der Wanderung selbst ziehen sich Gruppen räumlich meist ohnedies auseinander, auf Forststraßen ließ sich mit Abstand zu zweit nebeneinander gehen und plaudern. Auch bei der Einkehr in Drassburg fanden wir im Hof des Cafés viel Platz für’s ‚Abstandsitzen’. Nebenbei war uns das Café eine willkommene Händewasch-Station. Da wir nur 5 Personen waren, ließen sich die Regeln leicht realisieren. 

2. Zur Wanderung selbst: Vom Bahnhof Mattersburg ein kurzes Stück durch das Gewerbegebiet hinunter zu dem über der Straße liegenden angrenzenden Walbersdorf. Vorbei am „Evangelischen Bethaus“, 1903 errichtet und hervorragend renoviert, zu der, Ende des 18. Jhd. erbauten, klassizistischen katholischen Kirche. Da sich damals die katholische und die evangelische Gemeinde über die Kostenteilung für eine gemeinsame Benützung des Glockenturms der Kirche nicht einigen konnten, errichtete die evangelische Gemeinde ebenfalls Ende des 18. Jhd. gleich schräg gegenüber einen eigenen solitär stehenden Glockenturm. Die Glocken werden heute um 11 Uhr und um 18.30 geläutet. – Die Synagoge von Mattersburg (damals Mattersdorf) war 1940 gesprengt worden, nachdem alle Mitglieder der größten der sieben jüdischen Gemeinden des Burgenlandes, auch jener von Mattersburg, bereits zwischen März und September 1938 (!) vertrieben worden waren (wer Bilder der Synagoge und des jüdischen Mattersburger Viertels sehen will, kann eine im Netz stehende bemerkenswerte Diplomarbeit googeln: Veronika Schmid, Virtuelle Rekonstruktion der ehemaligen Synagoge in Mattersburg. TU Wien, 2016. Tolle alte Fotos plus virtuelle Rekonstruktion.) – Die Berggasse zwischen Häusern aufwärts zweigt unser Weg bei einer Dreifaltigkeitssäule ab, der Inschrift zufolge 1784 errichtet, und zieht als Güterweg auf einem Rücken zwischen Wald, Weingärten und Streuobstwiesen aufwärts zum Marzerkogel (ich beschreibe das so genau, falls jemand diesen einfachen Weg einmal alleine gehen möchte. Vom Marzerkogel kann man südlich hinunter gehen, entweder unbeschildert zu den Teichwiesen oder beschildert nach Marz, und entlang der Bahn oder neben dem Klettenbach zurück zum Auto oder der Bahn; vgl. Österreichkarte „Mattersburg“). Schlehenhecken dicht mit Blütenknospen besetzt, die Knospen der Kirschbäume prall, die Wiesen am Marzerkogel voll mit Kuhschellen; gegen die Sonne sah man nur das glänzend Weiß ihres Pelzes. Später im Jahr blühen hier in der naturgeschützten Trockenlandschaft seltene Orchideenarten und Diptam. Große Rast. Danach direkt vom Kogelgipfel nordöstlich und unbezeichnet hinunter durch Wald bis zu einer Wegtafel und meist eben auf Forststraßen dahin. Markierungen gibt es keine, aber ausreichend Tafeln. Und plötzlich stand da „Drassburg, 20 Minuten“. Wir waren aber noch munter und machten einen Schlenker zum leerstehenden Paulinerkloster, das im 15. Jhd. vom adeligen Grundherrn gestiftet und mit Weingärten, einer Mühle, Fischteichen und Häusern reich ausgestattet wurde. Noch im gleichen Jahrhundert brannte es bei einem Waldbrand ab; Mitte des 18. Jhd. wurde es wiedererrichtet, Neubesiedelungen waren aber wenig erfolgreich. Das Kloster steht weit außerhalb des Ortes Baumgarten auf einer Wiese mit Nuss- und Kastanienbäumen. Eine jahrhundertealte Linde mit Sitzbank um ihren mächtigen Stamm macht den Ort zu einem schönen Rastplatz. Die Kirchentüre war versperrt, bei Anmeldung könne man Kirche und Mönchszellen besichtigen. „Hier kann man auch heiraten!“ verrät die touristische Homepage von „Sunny.at. Wir wissen wohin“. Na dann. Auf der Straße ging es durch den Ort Baumgarten. Auf den hohen Bäumen neben der Straße engagierten sich hunderte Krähen (auch akustisch!) beim Nestbau. Baumgarten/Pajngrt hat einen kroatischen Bevölkerungsanteil und zweisprachige Aufschriften. Etwas Straßenhatscher brachte uns nach Drassburg und in den Hof des Caféhauses. Mit der Raaberbahn und in Abstand haltender ‚Sitzordnung’ ging es zurück nach Wien.

Diese für längere Zeit letzte Wanderung der Währinger Naturfreunde hat Kondition, Kreislauf, Gefäßen und Psyche gut getan. Vielleicht nicht unbedeutend für einen nie völlig ausschließbaren Infektionsfall.

Walter Kissling

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